Seit Februar 2020 ist unser tägliches Leben einem ständigen Wandel unterlegen. Die Corona-Zeit hat unsere Gewohnheiten, unsere Ziele und unsere normale Gemeinschaft in Familie und Beruf komplett auf den Kopf gestellt. Kaum hatten wir das Gefühl, das Schlimmste überwunden zu haben, kam der Krieg in der Ukraine, die Inflation und wirtschaftlichen Unsicherheiten, die abermals uns keine Planungssicherheiten mehr ermöglichen.
Im Laufe der letzten Jahre haben viele Menschen ihre Ziele, Ideale und Träume nochmals hinterfragt. Die Corona Situation hat uns alle in ganz neuer Weise mit uns und unserem Ego konfrontiert. Plötzlich fehlten die täglichen Bühnen der Selbstdarstellung und die Bestätigung, die viele Menschen in ihrem beruflichen Umfeld erhalten. Wir mussten alle lernen, uns selber auszuhalten und waren gezwungen, eine neue Wertediskussion zu führen. Menschen, die bisher weniger in der Lage waren, reflektiert über das Leben nachzudenken, waren plötzlich alleine mit ihren Gefühlen und Ängsten.
Corona hat die Menschen stärker gemacht, die auch schon vorher über persönliche Werte nachgedacht haben und hat Menschen geschwächt, die Angst vor der Auseinandersetzung mit sich selber haben. Familie, Freunde, das Zuhause, Platz in den eigenen vier Wänden, Unabhängigkeit im Sinne der finanziellen Ressourcen, Gesundheit, Zweisamkeit, der Austausch über die Dinge des Lebens, das tägliche Beisammensein bei einer Mahlzeit, eine Festanstellung, die halbwegs sicher ist etc. etc…… Alles hat sich verändert und kaum jemand hat für möglich gehalten, dass unser Leben so sehr umgekrempelt werden könnte.
Wir alle waren verwöhnt und haben unsere „Ego-Gesellschaft“ primär nicht in Frage gestellt. Die Menschen, die immer mal wieder das Thema bei einem Abendessen auf das Tablett gebracht haben, waren schnell als „Spaß-befreit“ verschrieen und wurden als lästig abgetan. Doch plötzlich konnten wir nicht mehr einfach mal schnell mit Freunden zu einem netten Dinner ins Restaurant gehen, mussten uns auf unser Zuhause einstellen und lernen, dass eine angemessene Kleidung uns auch alleine gut tut und dies nicht primär etwas für die Bühne im Außen ist. Die Bühne war auf wenige Menschen reduziert oder auf Online-Meetings, wo jeder nur noch in kleinen Bildchen auf dem Computer erschien.
Diese Zwei Jahre waren für viele Menschen eine Zäsur und vermutlich war dies unbedingt notwendig, um wieder mehr Inhalte in unser Leben zurück zu holen. Es ist herrlich, wenn man sich schöne Dinge erlauben kann, aber dies alles macht nur Spaß, wenn man es teilen kann. Nicht im Sinne der „Angabe“, sondern im Sinne der gemeinsamen Erlebnisse, der Liebe zu Menschen, die einem wichtig sind und mit denen man sich wirklich etwas zu sagen hat. Geld ist eine Ressource, die uns helfen kann, Menschen zusammen zu holen und Liebe zu zelebrieren – der Rest ist schön, aber hat letztendlich nicht wirklich viel zu bedeuten. Freude und Liebe schenken, großzügig gegenüber den Menschen sein zu können, die wir lieben, ist mehr in den Mittelpunkt gerückt. Vor allem, wenn plötzlich Entfernungen aufgrund von geschlossenen Landesgrenzen unüberwindbar erscheinen und Menschen alleine in Krankenhäusern sterben….
Immer wieder habe ich von Menschen gehört, dass sie sich von angeblichen „Freunden“ verabschiedet haben und die Gesprächsebenen nicht mehr vorhanden waren. Genauso habe ich gelernt, dass das persönliche Gespräch niemals zu ersetzen ist. Emotionen und Körperhaltung kann man nicht in kleine Bilder auf dem Computer packen. Wir Menschen brauchen Menschen und den Austausch, um wachsen zu können. Wir brauchen Hilfe, Körperkontakt, Mitgefühl und Geborgenheit, sonst verkümmert unsere Seele. Die einsame Insel ist nicht die Lösung und somit hat vermutlich Corona gezeigt, dass wir unsere Lieblingsmenschen brauchen, aber die vielen anderen Menschen, mit denen wir belanglose Gespräche in einer Bar führen, brauchen wir vermutlich nicht. Es ist der Intellekt, die Lebensziele und die Inhalte unserer Gespräche, die uns verbinden und uns eine Art „Flow“ geben können.
Unsere junge Generation ist in eine neue Zeitrechnung geschlittert und wir können nur vorsichtig erahnen, was für Veränderungsprozesse dies mit sich bringen wird. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass viele junge Teens und Twens mit psychischen Problemen zu kämpfen haben.
Gleichzeitig habe ich in den letzten Wochen wunderbare Menschen gesprochen, die voller Tatendrang erste Jobs nach dem Studium suchen. Menschen, die an den letzten zwei Jahren gewachsen sind, sehr genau wissen, was sie erreichen wollen und einen echten Beitrag für die eine gesündere Gesellschaft leisten wollen.
Ich für mich habe gelernt, dass ich wunderbare Freunde und liebenswerte Menschen habe, die zwar leider sehr verteilt an verschiedenen Orten leben, aber doch viele meiner Inhalte teilen und es daher auch ausreicht, wenn man sich gelegentlich sieht und ansonsten spricht. Wenn wir lieben, uns der Liebe hingeben können, nicht ständig in Frage stellen und die Menschen einfach so nehmen wie sie sind, können wir uns fallen lassen und Vertrauen. Ich hoffe, dass wir durch diese Erfahrungen mit unseren persönlichen Werten nachhaltig besser umgehen können und nicht zu schnell vergessen.